Urteil des Verfassungsgerichts 86/2025 vom 7. April

Das Recht auf persönliche Freiheit und seine Garantien

Artikel 17 der spanischen Verfassung garantiert das Recht auf persönliche Freiheit und legt fest, dass niemand seiner Freiheit beraubt werden darf, außer in den gesetzlich vorgesehenen Fällen und unter Beachtung der gesetzlichen Formen. Dieses Grundrecht beinhaltet spezifische Schutzmechanismen, insbesondere bei Freiheitsentziehungen: das Recht, über die Gründe der Inhaftierung unterrichtet zu werden (Art. 17.1 CE), das Recht auf Rechtsbeistand und Zugang zu den wesentlichen Verfahrensakten (Art. 17.3 CE) sowie das Recht auf ein habeas corpus-Verfahren als Mittel gerichtlicher Kontrolle (Art. 17.4 CE).

Verletzung des Rechts auf Information und Akteneinsicht (Art. 17.1 und 17.3 CE)

Das Gericht stellte fest, dass der Beschwerdeführerin lediglich das Bestehen eines Haftbefehls mitgeteilt wurde, ohne nähere Angaben zu ihrer angeblichen Tatbeteiligung. Im Polizeiprotokoll war der Abschnitt zum Zugang zu den wesentlichen Aktenelementen nicht ausgefüllt, und der Verteidiger hatte ausdrücklich Akteneinsicht beantragt, die jedoch unbegründet verweigert wurde.

Das Gericht hebt hervor: „Der Beschwerdeführerin wurde die grundlegende Information vorenthalten, die notwendig gewesen wäre, um die ihr vorgeworfenen Tatumstände und ihre mutmaßliche Beteiligung nachvollziehen zu können.“

Reichweite des Rechts auf Einsicht in die Ermittlungsakte

Ein zentraler dogmatischer Beitrag des Urteils liegt in der Klärung des Umfangs des Akteneinsichtsrechts im polizeilichen Ermittlungsverfahren. Das Gericht stellt klar, dass dieses Recht nicht mit einer vollständigen Aktenübermittlung gleichzusetzen ist, sondern begrenzt, zweckgebunden und funktional dem Recht auf Verteidigung zugeordnet ist. Wörtlich heißt es:„Es bezieht sich auf jene Daten und Informationen, welche die objektive und subjektive Zurechnung stützen […] und es dem Beschuldigten sowie seinem Rechtsbeistand ermöglichen, die Freiheitsentziehung sachgerecht anzufechten.“

Ziel ist nicht die vollständige Kenntnis des Verfahrens, sondern die Gewährleistung, dass der Inhaftierte über hinreichende Informationen verfügt, um die Rechtmäßigkeit seiner Festnahme auf überprüfbarer Tatsachengrundlage zu hinterfragen. Dieses Recht muss ausdrücklich geltend gemacht werden; es greift nicht von Amts wegen. Wird der Zugang nach Antragstellung ohne Begründung verweigert, stellt dies einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verteidigungsrecht dar und untergräbt die nachfolgende gerichtliche Kontrolle.

Das Urteil betont, dass der Zugang effektiv zu ermöglichen ist – sei es durch Überlassung einer Kopie der Ermittlungsakte, Einsichtnahme in Dokumente oder andere geeignete Mittel, die die Integrität der Informationen sicherstellen. Die Weigerung der Polizei, eine solche Einsicht zu gestatten, behindert die Ausübung der in Artikel 17 CE garantierten Rechte und setzt die betroffene Person der Macht des Staates schutzlos aus.

Verletzung des Rechts auf effektive richterliche Kontrolle (Art. 17.1 und 17.4 CE)

Der zweite zentrale Aspekt der Rechtsverletzung betrifft die gerichtliche Behandlung des habeas corpus-Antrags. Das Gericht lehnte den Antrag ab, ohne die Beschwerdeführerin anzuhören, ohne sich persönlich von ihrer Lage zu überzeugen und ohne weitere Maßnahmen über die Einholung einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft hinaus.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, insbesondere des Urteils STC 85/2024, widerspricht eine solche Vorgehensweise dem Wesensgehalt des habeas corpus-Rechts. Wörtlich heißt es im Urteil:„Die Nichtzulassung oder Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde in limine litis aus materiellen Gründen […] ohne vorherige richterliche Vorführung und Anhörung der betroffenen Person stellt eine Verletzung des Grundrechts durch die Justizbehörde dar.“

Die gerichtliche Kontrolle darf sich nicht auf eine indirekte Aktenprüfung beschränken, sondern erfordert das persönliche Erscheinen und die tatsächliche Anhörung des Inhaftierten, um die realen Bedingungen der Freiheitsentziehung überprüfen zu können.

Schlussfolgerung

Das Urteil 86/2025 stärkt entschieden die verfassungsrechtliche Doktrin zur polizeilichen Freiheitsentziehung und unterstreicht die Rolle des habeas corpus als Schutzinstrument gegen willkürliche oder fehlerhafte Festnahmen. Das Gericht stellt klar, dass der Zugang zu den wesentlichen Elementen des Polizeiberichts kein Privileg oder polizeiliches Ermessen ist, sondern ein verfahrensrechtliches Instrument des Verteidigungsrechts, das auf Antrag effektiv gewährt werden muss. Die unbegründete Verweigerung dieses Zugangs entzieht der betroffenen Person die Mindestmittel zur Anfechtung der Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung und verletzt Artikel 17 CE sowohl in seiner Informations- als auch in seiner Verteidigungsdimension.

Ebenso kritisiert das Urteil die gerichtliche Praxis, habeas corpus-Anträge ohne vorherige Anhörung in limineabzuweisen. Ein solches Vorgehen ist mit dem materiellen Gehalt des Artikels 17.4 CE unvereinbar, der eine aktive und persönliche Rolle des Richters bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit und Bedingungen der Freiheitsentziehung verlangt.

Letztlich sendet das Urteil eine klare Botschaft: Jede Freiheitsentziehung muss mit tatsächlichen, nicht nur symbolischen, Schutzmechanismen versehen sein. Verlässliche Information, Zugang zur Ermittlungsakte, effektive anwaltliche Unterstützung und wirksame richterliche Kontrolle sind keine bloßen Formalitäten, sondern tragende Säulen eines Rechtsstaats. Ihr Fehlen macht jede Inhaftierung zu einem unerträglichen Verstoß gegen die Grundrechte, der gerichtliche Abhilfe verlangt.