Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen gewinnt im modernen Strafrecht zunehmend an Bedeutung. Früher konnten Unternehmen nicht strafrechtlich belangt werden, da nur natürliche Personen als taugliche Täter galten. Dieses Verständnis hat sich jedoch in vielen Rechtsordnungen, darunter der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, grundlegend geändert. Heute ist es möglich, Unternehmen für strafbares Verhalten zur Verantwortung zu ziehen.
Diese Entwicklung wurde maßgeblich durch zahlreiche Unternehmensskandale der letzten Jahrzehnte ausgelöst, bei denen große Unternehmen wegen Finanzdelikten, Korruption und anderer schwerer Straftaten verurteilt wurden. Diese Fälle zeigten, dass das Fehlen strafrechtlicher Verantwortlichkeit zu einer Kultur der Straflosigkeit und Korruption führen kann, die das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit untergräbt.
Im spanischen Recht beruht das Modell der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen auf dem Prinzip der Eigenverantwortung. Das bedeutet, dass das Unternehmen selbst für seine Straftaten haftet – sei es durch Handeln oder Unterlassen – unabhängig von der individuellen Schuld einzelner Personen. Wird eine Straftat im Namen des Unternehmens begangen, kann die juristische Person unmittelbar sanktioniert werden.
Damit ein Unternehmen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, muss nachgewiesen werden, dass seine Organisationsstruktur oder seine interne Kontrolle die Begehung der Tat begünstigt hat. Es ist ferner erforderlich, dass die Tat im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit und zum direkten oder indirekten Vorteil des Unternehmens begangen wurde.
Die Sanktionierung erfolgt, weil das Unternehmen als Organisation die Straftat durch unzureichende Überwachung oder mangelhafte Compliance ermöglicht hat. Die Staatsanwaltschaft muss daher nachweisen, dass keine angemessenen Kontroll- und Präventionsmechanismen bestanden; die Verantwortlichkeit der juristischen Person kann nicht allein aus der Verurteilung einer natürlichen Person abgeleitet werden.
Anders als natürliche Personen, deren Schuld sich auf konkrete Handlungen bezieht, wird die Verantwortlichkeit juristischer Personen anhand ihrer Unternehmenskultur und ihrer Compliance-Praxis bewertet – das Modell beruht somit auf Tugendhaftigkeit. Zur Befreiung von strafrechtlicher Haftung muss das Unternehmen nachweisen, dass es angemessene Sorgfaltspflichten (ex ante) erfüllt und aktiv mit den Ermittlungsbehörden (ex post) kooperiert hat.
Bei Umwandlungen, Fusionen, Spaltungen oder Übernahmen kann eine bereits bestehende strafrechtliche Haftung auf die Nachfolgegesellschaft übergehen, sofern betrügerische Absicht vorliegt. Daher empfiehlt sich eine sorgfältige Prüfung möglicher Altverbindlichkeiten vor Durchführung solcher Transaktionen (Art. 130 Spanisches Strafgesetzbuch).
Zusammenfassend stellt die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ein zentrales Instrument der modernen Wirtschafts- und Strafrechtsordnung dar. Unternehmen können bestraft werden, wenn sie Straftaten begehen, sich jedoch durch wirksame Präventions- und Compliance-Maßnahmen entlasten, wenn sie deren Umsetzung nachweisen können. Eine aktive Zusammenarbeit mit den Behörden und sorgfältige Due-Diligence-Prüfungen sind entscheidend, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

