Alternative Streitbeilegungsmethoden im neuen Strafverfahrensrecht: Eine grundlegende Veränderung des Strafverfahrens?

September 7, 2025

Mit der kürzlich erfolgten Verabschiedung des Organischen Gesetzes 1/2025 vom 2. Januar über Maßnahmen zur Effizienz des öffentlichen Justizdienstes (im Folgenden „OL 1/2025“) wird erstmals im spanischen Strafrecht die ausdrückliche Regelung alternativer Streitbeilegungsmethoden eingeführt. Dies geschieht durch die Neunte Zusatzbestimmung, die die Restorative Justice (wiederherstellende Justiz) als freiwilligen, vertraulichen und kostenfreien Mechanismus zur Lösung strafrechtlicher Konflikte regelt. In bestimmten Fällen kann ein Verfahren sogar eingestellt oder beendet werden, wenn die Parteien eine Einigung erzielen. Diese Neuerung, inspiriert durch etablierte zivilrechtliche Verfahren wie Mediation und Schiedsverfahren – außergerichtliche Mechanismen zur Vermeidung übermäßiger Prozessführung –, wirft Fragen hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirksamkeit und Reichweite im Strafprozess auf. Stellt diese Reform eine materielle Veränderung dar? Handelt es sich um eine Abweichung von oder eine Ergänzung zur gerichtlichen Funktion?

Summary

Einführung alternativer Streitbeilegungsverfahren im Strafprozess: Wesen und Reichweite

Das OL 1/2025 führt alternative Streitbeilegungsmechanismen ein, insbesondere die Restorative Justice sowie den sogenannten Vergebungsmechanismus, durch die Neunte Zusatzbestimmung, die den Artikel 20 der Strafprozessordnung (Ley de Enjuiciamiento Criminal – LECrim) ergänzt. Ziel dieser Regelung ist es, einvernehmliche Lösungen zwischen Opfer und Täter zu fördern, die sowohl den erlittenen Schaden wiedergutmachen als auch die soziale Versöhnung ermöglichen und gleichzeitig zur Entlastung der Justiz beitragen.


Im Gegensatz zum Zivilrecht, in dem Mediation und Schiedsverfahren auf einer umfassenden gesetzlichen Regelung und einer gefestigten institutionellen Struktur beruhen – wobei Gerichte unter Umständen deren vorherige Durchführung verlangen können –, handelt es sich im Strafprozess um rein freiwillige und ergänzende Mechanismen, ohne dass eine gesetzliche Pflicht zur vorherigen Inanspruchnahme besteht oder ein vollständig entwickelter institutioneller Rahmen vorliegt.


Auch wenn die Existenz solcher alternativer Mechanismen nun erstmals gesetzlich anerkannt wird, bleibt unklar, inwieweit sie die Dynamik des Strafverfahrens tatsächlich substantiell verändern werden oder ob sie lediglich als zusätzliche, praktisch wenig relevante Option bestehen bleiben.

Materielle Unterschiede zwischen Strafmediation und Verständigung

Im Strafverfahren stellt die traditionelle Verständigung nach den Artikeln 785 ff. LECrim einen prozessualen Akt dar, in dem der Angeklagte die Tat einräumt und die schwerwiegendste der vorgeschlagenen Strafen akzeptiert, um die Durchführung einer Hauptverhandlung zu vermeiden. Die Verständigung dient als Mittel der Verfahrensvereinfachung mit Rechtskraftwirkung, unterliegt gerichtlicher Kontrolle und soll das Verfahren beschleunigen.
Demgegenüber ist die im OL 1/2025 vorgesehene Strafmediation ein Verfahren, das auf umfassende Wiedergutmachung des Schadens und Wiederherstellung zwischenmenschlicher Beziehungen abzielt. Sie ist freiwillig, vertraulich und außergerichtlich.


Im Unterschied zur Verständigung beinhaltet die Mediation kein ausdrückliches strafrechtliches Schuldeingeständnis und keine Strafzumessung, sondern strebt eine restorative Vereinbarung an, die in bestimmten Fällen – insbesondere bei leichten Straftaten oder Antragsdelikten – zur Einstellung oder Beendigung des Strafverfahrens führen kann.


Strafmediation und Verständigung sind somit unterschiedliche, aber sich ergänzende Instrumente mit verschiedenen Zielsetzungen und Abläufen, die jedoch in ihrem gemeinsamen Zweck konvergieren: die Hauptverhandlung zu vermeiden und die Justiz zu entlasten.

Reform der Vorverhandlung und der Vorfragen: Eine risikobehaftete prozessuale Änderung

Das OL 1/2025 ersetzt die bisherige Behandlung der Vorfragen im beschleunigten Verfahren durch eine neue Vorverhandlung mit erweitertem prozessualem Inhalt, geregelt in den Artikeln 785 und 786 LECrim.
In dieser neuen, allgemein als „Vorverhandlung“ bezeichneten Anhörung werden zwingend folgende Punkte behandelt:
• Zuständigkeitsfragen,
• Verfahrenshindernisse und Verletzungen von Grundrechten,
• Aussetzung des Verfahrens,
• Zulassung und Ablehnung von Beweismitteln,
• Ratifizierung von Verständigungsvereinbarungen.
Dieses Modell zielt darauf ab, die zahlreichen Unterbrechungen zu vermeiden, die die Hauptverhandlung traditionell beeinträchtigen. Die Bündelung so vieler Fragen in einer einzigen Sitzung hat jedoch in der Fachliteratur Kritik und Besorgnis ausgelöst, da befürchtet wird, dass sich die Vorverhandlung zu einem Engpass entwickelt, der die gerichtliche Tätigkeit überlastet und paradoxerweise neue Verfahrensverzögerungen verursacht.

Strafmediation versus Verständigung: Praktischer Vergleich

Restorative Justice und der sogenannte Vergebungsmechanismus sind freiwillige Verfahren, die die Zustimmung von Opfer und Täter erfordern, was ihre breite Anwendung erschwert. Demgegenüber ist die Verständigung ein rein prozessuales Instrument unter gerichtlicher Kontrolle.
Während die Verständigung bereits weit verbreitet ist und durch OL 1/2025 weiterentwickelt wurde – etwa durch die Abschaffung der bisherigen Obergrenze von sechs Jahren Freiheitsstrafe –, fehlt es den alternativen Mechanismen an detaillierter Regelung und an öffentlichen Institutionen für ihre Umsetzung, was ihre praktische Wirksamkeit und Reichweite einschränkt.


Die Restorative Justice und der Vergebungsmechanismus befinden sich somit noch in einer Anfangsphase und dürften die Verständigung nicht ersetzen, sondern vielmehr den Katalog alternativer Mechanismen um eine stärker wiederherstellende und sozial orientierte Komponente erweitern.

Schlussfolgerung

Die Einführung alternativer Streitbeilegungsmethoden im Strafverfahren durch das OL 1/2025 stellt eine bedeutsame Neuerung dar, wenn auch mit bislang unvollständigem gesetzlichen Rahmen und begrenzter praktischer Umsetzung. Ziel dieser Mechanismen ist es, eine menschlichere und effizientere Strafjustiz zu fördern, indem direkte Wiedergutmachung ermöglicht und die Justiz entlastet wird.


Die Reform der Vorverhandlung durch Einführung einer Voranhörung zur Behandlung von Vorfragen stellt einen Versuch dar, die vorbereitende Verfahrensphase zu rationalisieren und die Zahl der Unterbrechungen zu verringern.


Die Bündelung mehrerer Fragen in einer einzigen Anhörung birgt jedoch Risiken der Überlastung und Verzögerung, die nur durch angemessene Ressourcen und spezifische Schulung bewältigt werden können.


Letztlich sind Strafmediation und Verständigung unterschiedliche, sich ergänzende Instrumente: Die Verständigung ist ein gefestigtes prozessuales Mittel, während die Mediation ein alternatives Verfahren mit noch auszuschöpfendem wiederherstellenden Potenzial darstellt.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass OL 1/2025 wesentliche Neuerungen im Strafverfahren einführt – doch der tatsächliche Einfluss wird von der praktischen Umsetzung sowie von der weiteren gesetzlichen und institutionellen Ausgestaltung abhängen.

Jorge Agüero Lafora
Managing Partner

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