Die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers ex delicto: Grenzen der Compliance als ausschließender Grund
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs 737/2018 befasst sich mit einem zunehmend relevanten Thema im Strafrecht und in der Haftung von juristischen Personen: der Abgrenzung der Wirkung eines Compliance-Programms im Verhältnis zur zivilrechtlichen Haftung ex delicto.

Summary
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs (Tribunal Supremo) Nr. 737/2018 befasst sich mit einem zunehmend bedeutenden Aspekt im Strafrecht und der Haftung juristischer Personen, nämlich der Abgrenzung der Wirkung von Compliance-Programmen gegenüber der zivilrechtlichen Haftung ex delicto. Im verhandelten Fall wurde ein Bankangestellter wegen fortgesetzter Unterschlagung verurteilt, indem er seine doppelte Funktion als Buchhalter eines Handelsunternehmens und Mitarbeiter der Bank ausnutzte. Die Bank wurde als subsidiär zivilrechtlich haftbar erklärt.
Ein wesentlicher Einwand der vom Bankinstitut eingelegten Kassationsbeschwerde zielte darauf ab, dessen zivilrechtliche Haftung von der vom Mitarbeiter begangenen Straftat zu trennen. Dabei wurde unter anderem auf das Vorhandensein eines Kontrollprogramms sowie darauf verwiesen, dass das gebrochene Vertrauensverhältnis ausschließlich zwischen dem Verurteilten und dem Geschädigten bestand. Der Oberste Gerichtshof weist diese Argumentation zurück und bestätigt, dass Straf-Compliance-Programme die subsidiäre zivilrechtliche Haftung nicht automatisch ausschließen, die allein dadurch begründet wird, dass die Straftat im Rahmen der unternehmerischen Aufgaben begangen wurde.
Sachverhalt: Vorsätzliches Delikt im Rahmen einer doppelten Treuepflicht
Der Angeklagte, Bankangestellter und externer Buchhalter der Gesellschaften VERDICIO S.A. und COPORSA 87 S.A., nutzte seine Doppelstellung, um betrügerische Verfügungen über das Konto einer dieser Gesellschaften, die Kundin der Bank war, vorzunehmen. Konkret eignete er sich mehr als 150.000 Euro an, durch nicht autorisierte Einziehung von Schecks und Auszahlungen, die er geschickt in der Bankbuchhaltung verschleierte, ohne fast ein Jahrzehnt lang Verdacht zu erregen. Die Täuschung war gerade durch seinen direkten Zugang zu den Bankensystemen sowie das persönliche Vertrauen der Geschäftsführerin in seine Tätigkeit als Buchhalter ermöglicht worden.
Das erstinstanzliche Urteil verurteilte den Angeklagten wegen fortgesetzter Unterschlagung und auferlegte der Bank die subsidiäre zivilrechtliche Haftung gemäß Artikel 120 Absatz 4 des Strafgesetzbuches (Código Penal).
Argumentation der Bank: Compliance und Autonomie der externen Beziehung
In der Kassationsbeschwerde führte die Bank mehrere Anfechtungsgründe an, wobei der Kern ihrer Verteidigung darin bestand, die Verbindung zwischen der Straftat und ihrer Rolle als Arbeitgeber des Verurteilten zu bestreiten. Sie argumentierte, dass:
- Die Straftat nicht im Rahmen banküblicher Aufgaben begangen wurde, sondern im Rahmen einer externen Vertrauensbeziehung zwischen dem Verurteilten und dem Opfer.
- Ihr Compliance-Programm in jedem Fall angemessene Kontrollmechanismen vorgesehen habe.
- Eine Unterbrechung des funktionalen Zusammenhangs vorliege, die die Entlastung der Bank als zivilrechtlich haftenden Dritten rechtfertige.
Demgegenüber prüft der Oberste Gerichtshof, ob die Tatsache, dass das Delikt durch Missbrauch einer beruflichen Funktion, aber zugleich im Rahmen eines externen Vertrauensverhältnisses begangen wurde, die Haftung des Arbeitgebers ausschließen oder mindern kann.
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs: Subsidiäre zivilrechtliche Haftung und Grenzen der Compliance
Der Oberste Gerichtshof lehnt entschieden ab, dass das Vorhandensein eines Compliance-Programms oder die teilweise Autonomie der Beziehung zwischen Täter und Opfer die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers ausschließen kann, wenn das Delikt im funktionalen Rahmen des Unternehmens begangen wurde.
Das Gericht stellt klar, dass die subsidiäre zivilrechtliche Haftung gemäß Artikel 120 Absatz 4 StGB keine Verschuldenshaftung des Arbeitgebers voraussetzt, ebenso wenig eine Teilnahme oder Kenntnis an der Straftat, sondern allein eine funktionale Abhängigkeitsbeziehung, aus der sich die Pflicht ergibt, für von Mitarbeitern verursachte Schäden einzustehen. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine Haftung als sogenannter Erfüllungsgehilfe (Vikariehaftung), die dem Grundsatz folgt, dass derjenige, der von der Arbeit anderer profitiert, auch für Schäden aufkommen muss, wenn diese im Rahmen ihrer Tätigkeit strafrechtlich relevant handeln.
In diesem Zusammenhang betont das Gericht, dass der Angeklagte ohne seine Stellung als Bankmitarbeiter das Delikt nicht hätte ausführen können, da diese ihm den Zugang zu den Konten, die Manipulation von Buchungssätzen und die Durchführung von Auszahlungen ermöglichte. Auch wenn er zugleich Buchhalter der geschädigten Gesellschaft war, war seine Doppelstellung entscheidend für die Tatbegehung. Die Bank als finanzierende Verwaltungsinstanz der Konten gewährte dem Täter direkten und unkontrollierten Zugriff auf die Gelder, was die betrügerische Handlung erleichterte.
Daher ist es unerheblich, dass das gebrochene Vertrauensverhältnis gegenüber dem Opfer bestand oder die Bank ein Kontrollsystem implementiert hatte: Entscheidend ist, dass das Delikt im Rahmen der arbeitsvertraglichen Tätigkeit begangen wurde.
Strafrechtliche Compliance: Beschränkte Wirksamkeit auf die strafrechtliche Haftung juristischer Personen
Einer der dogmatisch interessantesten Punkte des Urteils ist die Klarstellung zur Rolle strafrechtlicher Compliance-Programme, die seit der Einführung der strafrechtlichen Haftung juristischer Personen im spanischen Recht (Artikel 31 bis StGB) an Bedeutung gewonnen haben.
Das Gericht erkennt an, dass Compliance-Systeme als Entlastungs- oder Milderungsgründe für die strafrechtliche Haftung der juristischen Person wirken können, sofern wirksame Präventions- und Kontrollmechanismen nachgewiesen werden. Es stellt jedoch mit Nachdruck klar, dass diese Wirkung nicht auf die zivilrechtliche Haftung ex delicto übergeht, noch weniger auf die subsidiäre Haftung gemäß Artikel 120 Absatz 4 StGB.
Die Wirksamkeit von Compliance ist demnach begrenzt und gilt ausschließlich für die direkte strafrechtliche Verantwortung der juristischen Person, entbindet aber das Unternehmen nicht von der zivilrechtlichen Haftung, wenn ein Mitarbeiter im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben vorsätzlich eine Straftat begeht. Diese Unterscheidung beruht auf einem soliden Grundsatz: Die zivilrechtliche Haftung ex delicto verfolgt nicht das Ziel der Bestrafung, sondern der Schadenswiedergutmachung und stützt sich auf Prinzipien der gerechten Ausgleichsleistung (commutative justice) und nicht auf Schuld- oder Vorsatzkriterien.
Schlussfolgerung
Das Urteil STS 737/2018 stellt klar, dass die subsidiäre zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers weder durch das Vorhandensein eines wirksamen Compliance-Programms noch durch das Vorliegen eines externen Vertrauensverhältnisses zwischen Täter und Opfer ausgeschlossen wird. Der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Haftung ist, dass das Delikt im funktionalen Rahmen des Unternehmensauftrags begangen wurde. Im vorliegenden Fall nutzte der Bankangestellte seinen Zugang zu den internen Systemen der Bank, um einen fortgesetzten Betrug zu begehen, weshalb die Haftung der Bank als zivilrechtlich verantwortlicher Dritter unumgänglich ist.
Darüber hinaus zieht das Urteil klare Grenzen für die Wirksamkeit von Compliance und stellt fest, dass deren entlastende Wirkung nur die direkte strafrechtliche Haftung der juristischen Person betrifft, nicht aber die zivilrechtliche Haftung ex delicto oder die strafrechtliche Haftung des individuellen Täters. Dieses Urteil stärkt die Auffassung, dass Compliance kein absolutes Schutzschild gegen sämtliche Haftungsformen darstellt und ihre rechtliche Wirksamkeit vom jeweiligen Anwendungskontext abhängt.
Letztlich bekräftigt das Urteil eine objektive und funktionale Auffassung der subsidiären zivilrechtlichen Haftung im Unternehmenskontext, die nicht auf Verschulden beruht, sondern darauf, dass der Arbeitgeber den Rahmen schafft, kontrolliert und von der Tätigkeit profitiert, die die Tat ermöglicht, und deshalb auch für deren Folgen einzustehen hat.

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